Es
war 1851 und ein Gottesmann musste sich ärgern. Denn immer, wenn
Christoph Ott, seines Zeichens Pfarrer von Hohenpeißenberg,
gleichzeitig aber auch Leiter des dortigen meteorologischen
Observatoriums, mit seinem Fernrohr die nahen Alpengipfel
betrachtete, wurde er sauer. „Viele der vaterländischen
Gebirgshöhen ziert bereits ein Kreuz“, schrieb er seine Wut in
der damaligen pathetischen Sprache nieder, „aber mitten in
diesem schönen Bergkranze hebt der Beherrscher derselben, der
erste Fürst der bayerischen Gebirgswelt, der Zugspitz, sein Haupt
kahl und schmucklos in die kahlen Lüfte des Himmels empor...“
Diesen
Zustand zu ändern, war fortan das Bemühen des Geistlichen. Es
war denn auch am 12. August 1851, vor 150 Jahren, von Erfolg gekrönt:
Eine 29-köpfige Expedition, die drei Tage unterwegs war,
errichtete auf dem Westgipfel der Zuspitze ein vier Meter hohes,
zum Teil vergoldetes Kreuz mit Strahlenkranz, ein dem „Fürsten
der Gebirgswelt“ wahrhaft angemessenes prächtiges
Christensymbol.
„Beherrscher
der bayrischen Gebirgswelt mit kahlem Haupt“
Pfarrer Christoph Ott
Bis
es dazu kam, bedurfte es freilich gewaltiger Anstrengungen. Denn
die Zugspitze war erst 31 Jahre vorher, am 27. August 1820,
„erobert“ worden. Der bayerische Artillerieleutnant Joseph
Naus hatte im Auftrag des königlichen topographischen Büros mit
Führer Johann Georg Deuschl und seinem Offiziersburschen Maier
den Berg und einige andere Gipfel zwischen Ammer- und Isartal zu
Vermessungsarbeiten erklommen.
Immerhin
hatte man erst seit 1806 vermutet, dass die Zugspitze Bayerns höchste
Erhebung sein könnte. Bergsteigen galt seinerzeit als
„spinnert“, Klettertechniken waren völlig unterentwickelt,
von der richtigen Ausrüstung gar nicht zu reden. Wer einen gefährlichen
Berg wie die Zugspitze auf absolut unbekannten Wegen bestieg, der
riskierte sein Leben, mit Hilfe konnte er sowieso nicht rechnen.
Zurück
zum Pfarrer Ott aus Hohenpeißenberg. Der hatte einen Dienstknecht
namens Jakob Sporer, genannt „Zugspitz-Jakl“ Selbiger muss
wohl ein bisserl verrückt gewesen sein, denn immer, wenn es bei
der Arbeit Ärger gab, riss er aus und rannte ganz allein
geradewegs auf „den Zugspitz“ wie er damals noch hieß.
Mit
seinen begeisterten Erzählungen vom Bergerlebnis wird er wohl den
Pfarrer derart angesteckt haben, dass dieser eine „Subscription
„ initiierte, eine Spenden-Sammlung für ein Zugspitz-Kreuz.
Diese
fand selbst in „höchsten Kreisen“ Zuspruch, nicht zuletzt bei
Ihrer Majestät, der bergbegeisterten Königin Marie. So konnte
man sich ein sehr viel prunkvolleres Kreuz als zunächst geplant
leisten, dessen Anfertigungskosten sich auf 443 Gulden beliefen.
Der Entwurf stammte vom Berchtesgadener Bergmeister Florian
Heiler, die Schongauer Schlosser Joseph Kiesel, der Kupferschmied
Franz Bauer und der Goldarbeiter Xaver Sertl fertigen das Kreuz
an: Es ist aus Eisen gemacht, aber kupferplattiert und
feuervergoldet, genau 4,08 Meter hoch und 300 Pfund schwer,
bestehend aus 28 Teilen aus Röhren mit inliegenden Eisenstangen
und drei Seitenstützen.
Weil
es später für den Normalverbraucher nicht mehr sichtbar sein würde,
wurde das Kreuz vor der endgültigen Aufstellung auf 2963 Metern
zweimal öffentlich zur Schau gestellt: Zunächst in Hohenpeißenberg,
wo es auch unter Böllersalven geweiht wurde, anschließend in
Partenkirchen.
Unter
der Leitung des königlichen Forstwarts Karl Kiendl begab sich
dann am Montag, 11. August, um 9 Uhr die Kreuz-Expedition,
einschließlich des Pfarrers aus 29 meist ledigen Burschen (und
drei Hunden) bestehend, bei durchaus wechselhaftem Wetter auf
ihren gefahrvollen Weg durchs Reintal hinauf in Richtung
Zugspitze.
Der
Forstwart hatte vorher noch das Kommando gegeben: „Auf Träger,
dem Zugspitz zu!“ Station wurde beim Reintaler Bauern gemacht,
mit Biwak übernachtet an der Angerhütte.
„Auf Träger, dem
Zugspitz zu!“
Forstwart
Karl Kiendl
Um
halb drei Uhr früh am nächsten Tag begann dann der Aufbruch zum
schwierigsten Teil des Unternehmens: Der Aufstieg über Geröll
und Steinplatten hinauf übers Platt und seinen Gletscher zum
Westgipfel.
Um
neun Uhr war man dort angelangt, der Fels wurde gesäubert und die
harte dreistündige Arbeit des Bohrens für die Kreuzhalterungen
begann. Das Aufstellen des Kreuzes mit Hilfe von Seilen war schließlich
schwieriger als erwartet, da auf dem schmalen Gipfel selbst kaum
drei Mann zugleich stehen konnten.
Nach
einem andächtigen „Vater unser“ begann man den Rückmarsch,
vom Gipfelblick war keine Rede mehr, denn Wolken waren aufgezogen.
Erleichtert und teilweise sogar jauchzend erreichten die Männer
zur Dämmerung die Angerhütte, um dort die zweite Nacht zu
verbringen.
Die
Zugspitzkreuz-Expedition des Pfarrers Ott wurde als „tollkühn“
gewürdigt und erregte einerseits großes Aufsehen, andererseits
aber auch erstes Interesse am Gebirge. Sie ist damit verbunden
sicher auch einer der Auslöser des Tourismus im Werdenfelser
Land.
Das
Kreuz selbst war schon 30 Jahre später in eine bedenkliche
Verfassung geraten, denn das Wetter hatte auf dem schmalen
Westgipfel das Gestein rundherum zerbröckeln lassen, die
Haltestangen waren gelockert. Also wurde es im Herbst 1881
demontiert, in München repariert und am 25. August 1882 wieder
aufgestellt - allerdings auf dem Ostgipfel der Zugspitze, der
besseren Halt bot.
Erst
1992 war dann eine erneute Renovierung des Kreuzes fällig, das am
Ende des 2. Weltkrieges als Zielscheibe der Amerikaner diente, die
damals auch Deutschlands höchsten Punkt besetzt hatten.
Die
Beschädigungen auch durch das Wetter waren jedoch so stark, dass
man sich entschloss, ein vollkommen neues Kreuz zu fertigen - bei
einer Eschenloher Kunstschmiede. Das alte Kreuz ziert seither den
„Bergsteiger-Raum“ im Werdenfelser Museum und auf der
Zugspitze glänzt sein optisch identischer Nachfolger.
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